Das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt entschied im März 2023 in einem Fall einer 44-jährigen Frau aus Dresden, wobei es um die Vermutung der Diskriminierung aufgrund schlechterer Bezahlung einer Frau ging. Der Klägerin aus Dresden war aufgefallen, dass zwei männliche Kollegen zuletzt 500 und 880 Euro mehr pro Monat erhielten. Danach hatte die Frau ebenfalls eine höhere Vergütung von ihrem Arbeitgeber verlangt, wo hingegen dieser den Unterschied im Fall eines fast gleichzeitig eingestellten Kollegen mit dessen Verhandlungsgeschick und im zweiten Fall mit dessen längeren Betriebszugehörigkeit rechtfertigte.
Das Gericht urteilte zugunsten der Frau, welche im Vertrieb einer sächsischen Metallfirma tätig war, dass Arbeitgeber Verdienstunterschiede zwischen Frauen und Männern nicht mit Verhandlungsgeschick begründen dürfen. So wurde ihr eine Entschädigung und Gehaltsnachzahlung von 14.500 Euro zugesprochen. Wenn Frauen und Männer bei gleicher Arbeit, wie im verhandelten Fall, unterschiedlich bezahlt werden, begründe das die Vermutung der Geschlechterdiskriminierung, so die Vorsitzende Richterin Anja Schlewing. Arbeitgeber könnten diese Vermutung nicht mit dem Argument widerlegen, dass der Mann besser verhandelt habe.
Mit diesem höchstrichterlichen Urteil hat das Gericht hat die Entscheidungen der Vorinstanzen in weiten Teilen aufgehoben. Das Urteil wird unter vielen Rechtsexperten als Meilenstein gesehen, da es zu mehr Entgeltgerechtigkeit in der Arbeitswelt führen könnte.
Hohe Hürden in der praktischen Durchsetzung einer gerechten Bezahlung
Das Urteil ist sicherlich als Meilenstein zu werten. Unterschiedliche Bezahlung bei gleicher Tätigkeit darf nur noch durch objektive und geschlechtsneutrale Gründe wie beispielsweise Qualifikation oder Berufserfahrung gerechtfertigt werden. Aber in der Praxis könnte die Umsetzung teilweise schwierig werden. Auskunftsrechte zum Gehalt bestehen nämlich nur in Unternehmen ab 200 Beschäftigten, entsprechend dem Transparenzgesetz. Die überwiegende Mehrheit der Unternehmen in Deutschland haben aber weniger Beschäftigte und die meisten nicht einmal einen Tarifvertrag. Dieses Gesetz könnte somit ein stumpfes Schwert für mehr Lohngerechtigkeit von Frauen in der breiten Allgemeinheit sein. Die Hürden für Gehaltsauskünfte sind einfach zu hoch, etwaige Sanktionen sind überhaupt nicht vorgesehen. In der Praxis muss man, bzw. Frau auch erst einmal den Mut aufbringen, um sich diesbezüglich an seinen Arbeitgeber zu wenden. Eine mögliche Konfrontation mit dem Arbeitgeber müsste schließlich dabei in Kauf genommen werden, was das Arbeitsklima negativ beeinträchtigt könnte. Zudem ist es in der Praxis oft schwierig, die jeweilige Arbeit mit der eines Kollegen zu vergleichen, weil er oder sie eben nicht die gleiche Arbeit wie der Kollege oder die Kollegin durchführen. Die Möglichkeit der Vergleichbarkeit ist dementsprechend nicht immer einfach zu bewerkstelligen. Denn es müssen in der Regel verschiedene Leistungen zu verschiedenen Aufgaben beurteilt und verglichen werden. Außerdem kommt es in der Praxis eher selten vor, dass Kollegen miteinander über ihr individuelles Gehalt sprechen und so Gehaltsunterschiede häufig unentdeckt bleiben. Die Zeit wird zeigen, ob sich nun tatsächlich etwas grundlegend ändert, oder ob alles beim Alten bleibt und nur vereinzelt mal hier und da jemand von seinen Arbeitgeber mehr Gehalt fordert und diesen gegebenenfalls verklagt. Letztlich kommt es gerade darauf an, wie der Arbeitgeber einen etwaigen Gehaltsunterschied im konkreten Fall begründet.
Verfasserin: Tatjana Blum - LEGISPRO Rechtsanwälte & Fachanwälte - mehr Infos im LEGIS BLOG
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